Köln: 20.–23.01.2026 #immcologne

DE Icon Pfeil Icon Pfeil
DE Element 13300 Element 12300 EN
Online-Shopping neu gedacht

Visual Search: Die Zukunft des Möbelhandels?

Online nach Produkten suchen. Für die meisten Nutzer:innen gehört das zum Alltag. Oftmals verläuft die Abfrage per Texteingabe. Doch es kommt Bewegung in den Online-Möbelhandel: Einkaufen anhand von Fotos.

Einrichtungsgegenstände ganz einfach per Foto suchen. Die alike App von OTTO macht’s möglich. (Foto: alike)

Handy mit der Visual Search App alike von OTTO.

Die Brücke von der Inspiration zum Kauf

Der Möbel-Onlinehandel wächst stetig. War der Gang ins Möbelhaus früher Alltag, wird heute von der Couch aus mit wenigen Klicks das neue Bett bestellt. Doch was passiert, wenn Kunden sich neu einrichten möchten, aber die klassische Suchfunktion nicht das liefert, wonach sie eigentlich suchen? Nicht selten führt der erste Weg zu Pinterest oder Instagram. Hier wird stundenlang nach Inspiration gesucht. Nach Angaben von Pinterest haben 60 Prozent seiner Nutzer das soziale visuelle Netzwerk genutzt, um Entscheidungen für den Kauf von Heimtextilien zu treffen. Eine schnelle Hashtag-Suche nach „Interior Design“ oder „Einrichtung“ liefert Milliarden Ergebnisse in Sekunden. Bilder sind für den Kaufentscheidungsprozess elementar. Wie können Möbelhändler also sicherstellen, dass Kunden genau das bekommen, wonach sie suchen? Hier kommt eine neue Software ins Spiel, die den Möbelhandel vor allem in Zukunft revolutionieren wird: die visuelle Suche. Denn wo verbale Beschreibungen an ihre Grenzen stoßen, können gute Bilder Klarheit schaffen.

Wie funktioniert Visual Search?

So ähnlich sich die Begriffe Bildersuche und visuelle Suche auch sind, sie verfolgen unterschiedliche Ansätze. Denn bei Visual Search erfolgt die Sucheingabe nicht mehr mittels Sprache – also etwa mit der Eingabe oder dem Einsprechen von bestimmten Keywords – sondern mittels Bilder, die mit dem Smartphone oder Tablet aufgenommen werden. Passend zum Bild liefert die visuelle Suche ähnliche Motive. Dahinter steckt eine künstliche Intelligenz (KI), die das Bild in ihre Einzelteile zerlegt und sich so Informationen zum Hauptobjekt rausfiltert. Der zuvor trainierte Algorithmus vergleicht gleicht diese Informationen dann mit anderen bereits gescannten Objekten.

IKEA Place App in Anwendung auf einem Smartphone

IKEA ist bereits seit 2017 mit einer eigenen Visual Saerch App am Markt und ermöglicht Kunden so ein neues Einkaufserlebnis. (Foto: IKEA Place)

Visual Search: Eine Software für Big Player

Diese neue Art der Suchanfrage ist für viele Branchen interessant – ob für Mode, Tourismus oder eben Einrichtung. Der Versandhandel OTTO hat bereits 2018 die eigene Visual Search App alike auf den Markt gebracht und gehört damit zu den Early Adaptern der Möbelbranche. Kunden haben innerhalb der Anwendung die Möglichkeit, Einrichtungsgegenstände direkt zu fotografieren oder ein Bild hochzuladen, um ähnliche oder sogar identische Möbelstücke zu finden. Das Besondere: alike durchsucht nicht nur den OTTO Katalog, sondern insgesamt über 300 Onlineshops mit mehr als einer Millionen Produkten. Auch der schwedische Möbelriese IKEA hat früh in Visual Search investiert. Mit IKEA Place launchte das Unternehmen 2017 eine App, die sogar “Augmented Reality”-fähig ist, also Möbel in Echtzeit in die eigene Wohnung projiziert . Funktionen, die das Einrichten der Wohnung noch leichter werden lassen.

Ein Trend mit Potenzial und Lücken

Doch was passiert, wenn Kunden nicht finden, wonach sie suchen? Hier sieht auch Jens Krahe, Managing Director Creative & Technology der Plan.Net Köln und Experte für Nutzererfahrungen, noch Lücken: „Bei Suche geht es immer darum, wie Kunden möglichst einfach und schnell zum Ergebnis kommen. Visuelle Suche kann das in dem Maß noch nicht liefern. Ein Beispiel: Sie sitzen in einem Café und ihnen gefällt die grüne Vase auf dem Tisch. Sie hätten diese aber lieber in Grau. Wenn Sie die visuelle Suche mit einem Foto der grünen Vase starten, wird Ihnen genau das angezeigt: grüne Vasen. Um wirklich zum gewünschten Ergebnis zu gelangen, muss der Kunde also händisch weitere Informationen hinzufügen – wenn überhaupt möglich. Und ab diesem Punkt ist der Aufwand der visuellen Suche für den Nutzer doch relativ hoch.“ Durch Google, absoluter Vorreiter unter den Suchmaschinen, sind Kunden es gewöhnt, sehr schnell das passende Sucherergebnis ausgespielt zu bekommen. Umso größer die Frustration, wenn die Suche ungewohnt lange dauert oder nicht die gewünschten Ergebnisse liefert. Um das zu umgehen, müssen Möbelhändler und Hersteller ihren Produktkatalog perfekt für den Algorithmus aufbereiten. Ein kostenintensives Projekt, das momentan „eher ein zusätzliches Feature und noch keinen alltäglichen Anwendungsfall“ darstellt, so Jens Krahe.

„Perspektivisch macht Visual Search auf jeden Fall Sinn. Noch sind wir aber nicht an dem Punkt, dass Kunden intuitiv daran denken, mit Bildern nach Produkten zu suchen.“

Jens Krahe, Managing Director
Managing Director Creative & Technology Plan.Net Köln

Wie der Möbelhandel Visual Search in Zukunft für sich nutzen kann

Auch wenn Visual Search noch keine Standardfunktion ist, die Kunden intuitiv nutzen, bietet sie tolle Möglichkeiten für den Möbelhandel. Vor allem bei Nischenprodukten oder Unikaten kann die visuelle Suche für Kunden hilfreich sein. Produkte, die nur sehr schwer zu beschreiben sind, lassen sich mit einem gut trainierten Visual Search Algorithmus schnell finden.

Vor allem in Zukunft sieht Jens Krahe in dieser neuen Art der Suche große Chancen für den Möbelhandel, jedoch nicht in Form einer eigenen kostenintensiven Applikation. Augmented Reality ist hier das Stichwort. Tech-Riese Apple zeigte auf der WWDC 2021, wie das konkret aussehen könnte. Mit „Object Capture“ wird der gewünschte Gegenstand aus möglichst vielen Perspektiven fotografiert. Die Software erstellt aus diesen Aufnahmen ein detailliertes 3D-Modell samt Textur. „Das wäre ein denkbares Szenario, wie es besser funktionieren könnte. Dann wäre es eine echte visuelle Suche,“ so Jens Krahe.

Um das zu liefern, braucht es aber eine riesige Datenmenge, die perfekt aufbereitet sein muss. Ein Prozess, der sich wirtschaftlich für viele Möbelhändler noch nicht rechnet. „Ich würde warten, bis Visual Search in Form von Augmented Reality eine eigene Betriebssystemfunktion ist oder fest in große Suchmaschinen wie Google implementiert ist. Weil dann deutlich mehr Geräte über diese Funktion verfügen und es wie eine normale Google-Suche verläuft, nur mit Bildern.“ Der Aufwand für Kunden würde sich deutlich verringern, da sie nicht mehr die Apps einzelner Möbelhändler und Hersteller herunterladen und mit Bildern durchsuchen müssten. Sie könnten über eine zentrale Stelle auf die Kataloge aller Online-Möbelhändler zugreifen. Erst dann entfaltet sich das eigentliche Potenzial von Visual Search: Wenn der Aufwand der Textsuche den der visuellen Suche übersteigt, ist die Anwendung für Kunden deutlich attraktiver.

Abwarten und vorbereiten ist die Devise

Visual Search ist definitiv ein Trend den Möbelhändler und -hersteller beobachten sollten. Wer sich frühzeitig mit der richtigen Aufbereitung des eigenen Produktkatalogs auseinandersetzt, kann sich im richtigen Moment an die Spitze der Suchergebnisse und der Möbelbranche setzen. Der Überzeugung ist auch Technik-Expertin Anna Lukasson-Herzig. Mit Ihrem Start Up Nyris hat sich die Berlinerin auf Visual Search spezialisiert. Im Interview mit ambista verrät die Gründerin, wie die Zukunft der Suchanfragen aussieht und warum Visual Search ein unverzichtbarer Teil davon sein wird.