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Studio Dessi: „Welcome to stay“

Interview Marco Dessi zu Installation Circles imm cologne 2024

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Die Installation demonstriert den originellen, Atmosphäre schaffenden Umgang mit Materialien und Halbfabrikaten aus den unterschiedlichsten Einsatzbereichen. Der in Wien lebende Designer gestaltet ein temporäres Bühnenbild für die Möbel, eine Kulisse und Projektionsfläche für Interpretationen und Ideen zu einer nachhaltigen Zukunft. Die Protagonisten auf dieser Bühne sind die von Studio Dessi entworfenen Möbel und Leuchten. Gastlichkeit wird in Dessis Interpretation aber auch von kulturellen Traditionen und künstlerischen Impulsen geprägt. So erinnert die Installation an einen Pavillon inmitten einer (Messe-)Landschaft, der die Besuchenden wie eine Wegmarke magnetisch anzieht.

Foto: Guido Schiefer

Marco, die imm cologne hat euch eingeladen, eine Installation zum Thema Hospitality zu gestalten, die inspirierend ist und progressiv in die Zukunft schaut. Was waren für euch die größten Herausforderungen?

Die Aufgabe war, eine Situation zu schaffen, die eine Einladung zum Verweilen darstellt – auf der imm cologne fast gleichbedeutend mit Wohnlichkeit. Gleichzeitig ist Nachhaltigkeit eine Grundanforderung an unsere Arbeit. Wir haben den Gedanken einer temporären Installation daher sehr ernst genommen und versucht, für diese 5 Tage etwas wirklich Temporäres zu gestalten, ohne viel Müll zu produzieren. Insbesondere wollten wir keine illusionistische Architektur, die einen nachhaltigen Lifestyle symbolisiert, ohne wirklich nachhaltig und zirkulär zu sein. Diese Herausforderungen haben wir durch eine ungewöhnliche Materialauswahl und die Reduzierung des Transportaufwands zu lösen versucht. Unsere Installation ist leicht, zerlegbar und kann problemlos an einem anderen Ort wieder installiert werden – ein Thema, die sich wie ein roter Faden durch unsere Arbeit zieht.

Wie sieht diese Lösung aus – formal und materiell?

Das Thema Hospitality wird meiner Meinung nach am besten durch die Idee eines Daches über dem Kopf transportiert, denn das Dach ist die reinste Form von Welcoming. Das ist der Kerngedanke der Installation. Mit einem weithin wahrnehmbaren Dach schaffen wir innerhalb der Messehalle eine räumliche Situation, die Besucher fast schon magnetisch anzieht – wie ein Pavillon in einer Parklandschaft, auf den alle Wege zulaufen. Die Lösung ist ein aufblasbares Dach von großem Volumen, das sogar im Messekontext große Präsenz entfalten kann, aber dennoch einfach zu transportieren ist und wenig Platz einnimmt, wenn die Luft abgelassen ist. Das Dach wiegt lediglich 16 kg und passt auf eine halbe Europalette!

Das Dach erinnert ein wenig an einen Donut …

Ja, es gibt Mehrdeutigkeiten. Es ist ja auch mehr die Idee von einem Dach als ein geschlossenes, hermetisches Dach. Die Öffnung in der Mitte, das die Assoziation an den Donut aufkommen lässt, bildet einen Patio, durch den Licht ins Innere fällt. Das Material des Daches ist zudem transluzent und erinnert an gefrostetes Glas, womit die Geste eines architektonischen Elements verbunden ist – etwa ein Glasdach. Schließlich sind mit dem durch den Patio strömenden Licht auch Referenzen an James Turrells Skyscape verbunden. Die kreisförmige Anordnung der Lounger verstärkt diesen Effekt und lädt zu Gesprächen ein.

Die Art der Aufhängung hingegen lässt eher an einen Heißluftballon denken, oder?

Auch dieses Bild schwingt bewusst mit. Durch die filigrane Aufhängung entsteht die Anmutung eines schwebenden Dachs, das Teil eines modernen, futuristischen Pavillons ist – mit Assoziationen an einen Heißluftballon, der die Besucher mit auf eine Reise nimmt. Vor allem aber fügte sich für uns mit der Aufhängung alles zusammen: Unsere vor ein paar Jahren für Lodes entwickelte Leuchte Cima diente uns mit ihrem Seilsystem als perfekter „Aufhänger“, um zu zeigen, wie kreativ und unkonventionell sich manchmal Produkte einsetzen lassen.

Das gleiche scheint für den Umgang mit Materialien zu gelten, wenn man sich die Wände der Installation ansieht.

Genau, das ist uns auch besonders wichtig. Die Installation erprobt und demonstriert einen anderen Umgang mit Kunststoffen. Wir arbeiten hier mit Halbfabrikaten aus der Bauindustrie. So sind die Wände mit geprägten Acrylglasplatten verkleidet, die eigentlich zur Bedachung von Remisen oder Carports verwendet werden. Sie sind gesponsert und gehen als geliehene Paneele wieder zurück an die Hersteller. Erst durch die Art der Beleuchtung erhält die Prismen-artige, als Wetterschutz gedachte Oberfläche eine hochwertige, schon fast kristalline Optik. Das Dach besteht aus einer Projektionsfolie, die mit ihren Eigenschaften und zweckentfremdet an sandgestrahltes Glas erinnert. Wir experimentieren hier mit einer Neuinterpretation von Schönheit. Die Installation zeigt, wo Schönheit überall stecken kann und soll sensibilisieren, Materialien aus einem anderen Kontext mit neuen Augen zu betrachten – meiner Meinung nach eine der ursprünglichsten Aufgaben des Designs.

Erwartest du, dass diese Ästhetik von allen verstanden wird?

Polarisierung kann ein sehr produktiver Teil der Inspiration sein. Als Concept Space und als Projektionsfläche für die Ideen der Besucher kann „Welcome to stay“ zum Gesprächsthema der Circles werden und zum Diskurs anregen. Das ist ein Grundgedanke der Circles. Die Installation arbeitet mit halbfertigen Materialien und halbfertiger Ästhetik, daher muss sie auch einen Freiraum für Interpretation lassen. Erst der Diskurs vervollständigt sie. Daher passt auch die meditativ-orakelhafte Arbeit „Sea of Storys“ von Quirin Krumbholz so gut zu unserer Installation, dem in Wien arbeitenden Künstler, Designer und Architekten. Sie wird auf dem Glastisch stehen und ergänzt unsere Idee. Wir haben den Auftrag zur Gestaltung dieser Installation als Einladung verstanden, mit unseren Mitteln die Zukunft zu thematisieren – nicht nur die der Messe, sondern von uns allen.

Wenn die Installation mit dem Dach und den umgebenden Wänden ein Bühnenbild bildet, welche Aufgabe haben dann die Möbel?

Die Einladung der imm cologne ist für uns eine sehr spannende Gelegenheit, unsere Entwurfsphilosophie auf ein Interior Design-Thema anwenden zu können. Die Installation bildet den Kontext nach, aus dem ich mir Inspirationen hole – meistens ein technischer, wie man an der Leuchte Cima ablesen kann, die aus der Beobachtung von Tauklampen auf Segelbooten entstanden ist. Die D70 Lounge Chairs von Tecta und die Polsterstühle 520 von Thonet sind die Hauptdarsteller auf einer Bühne, die temporär und nomadisch ist. Unsere Möbel sind darauf die Akteure, die für Langlebigkeit stehen.