Köln: 12.–16.01.2025 #immcologne

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Nachhaltigkeit trifft soziale Gerechtigkeit

Wie fair ist die Baubranche?

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Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit geht uns alle an. In nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen gibt es Nachhol- und dringenden Handlungsbedarf. Auch die Architektur- und Baubranche ist da keine Ausnahme. Die Branche wird angetrieben durch Fortschritt und dem Streben nach immer größeren und imposanteren Werken. Das belastet nicht nur die Umwelt, auch die sozialen Strukturen am Standort leiden häufig unter dem Preiskampf in der Baubranche. Immer mehr Architekten und Bewegungen setzen sich diesem Trend entgegen und stehen für eine nachhaltigere und fairere Bauweise ein.

Rendering der von Kéré geplanten National Assembly in Benin.

Das geplante Gebäude der Nationalversammlung in Benin. Der Entwurf soll an einen Palaverbaum erinnern - eine westafrikanische Tradition, bei der wichtige Entscheidungen der Gemeinschaft unter einem großen Baum getroffen werden. (Bild: Kéré Architecture)

Soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit in der Architektur

Explodierende Miet- und Grundstückspreise, ausbeuterische und umweltschädliche Baumaterialien, unfaire Arbeitsbedingungen. Bei der Errichtung neuer Gebäude stehen soziale Gerechtigkeit und nachhaltiges Bauen nicht immer im Vordergrund. Schließlich kommt es nicht von ungefähr, dass wir immer wieder über sozialen Wohnraum sowie die Enteignung großer Wohnungsgesellschaften diskutieren und der Bau und die Unterhaltung von Gebäuden fast 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verursachen.

Eine Bewegung, die versucht einen Gegenpol zum „Weiter so“ in der Baubranche zu bilden, sind die Architects for Future. Diese stehen laut eigener Aussage solidarisch zur Fridays-for-Future-Bewegung und setzt sich unteranderem dafür ein, dass weniger Gebäude abgerissen und neugebaut werden, sondern mehr auf Renovierungen und Umbauten gesetzt wird. In insgesamt 7 Statements zum nachhaltigen Bauen fordern sie alle Beteiligten zu einem bewussteren und umweltfreundlicheren Umgang mit Ressourcen auf. Dazu wenden sie sich an wichtige Entscheider und Entscheiderinnen aus der Branche und Regierung. „In den letzten Jahren [wurde] an allen Ecken und Enden geforscht, sodass schon heute sehr viel getan werden kann, um Energie und Ressourcen einzusparen. Wir haben Architects for Future gegründet, um diesen enormen Einfluss der Baubranche aufzuzeigen, sodass alle Beteiligten endlich Verantwortung übernehmen“, heißt es auf der Website der Bewegung.

Verbindung aus Natur und Architektur.

Natur und Architektur müssen keine Gegenspieler sein. Oft entstehen durch die Verbindung eindrucksvolle Ergebnisse. (Foto:, links: Patrick Müller, Unsplash; rechts: José Duarte, Unsplash)

Die Visionen des Diébédo Francis Kéré

Jemand, der in allen seinen Projekten nicht nur eine nachhaltige Verantwortung übernimmt, sondern gleichzeitig für soziale Gerechtigkeit in der Architektur steht ist Diébédo Francis Kéré. Dieses Jahr wurde der in Berlin lebende Architekt aus Burkina Faso mit der höchstdotierten Auszeichnung der Architekturbranche – dem Pritzker Preis – gewürdigt. „Sein kulturelles Feingefühl sorgt nicht nur für soziale und ökologische Gerechtigkeit, sondern leitet seinen gesamten Prozess in dem Bewusstsein, dass dies der Weg zur Legitimität eines Gebäudes in einer Gemeinschaft ist“, begründet die Jury die Wahl Kérés. „Das gesamte Werk von Francis Kéré zeigt uns die Kraft der Materialität, die im Ort verwurzelt ist. „Seine Gebäude, die er für und mit Gemeinschaften errichtet, sind direkt von diesen Gemeinschaften – in ihrer Herstellung, ihren Materialien und ihrem einzigartigen Charakter. Sie sind mit dem Boden, auf dem sie stehen, und mit den Menschen, die in ihnen leben, verbunden“, fährt die Jury fort. Und genau das ist das Markenzeichen Kérés. Egal wo auf der Welt er seine ästhetischen Gebäude errichtet - er legt großen Wert auf Lokalität und die kulturelle Verbundenheit des Ortes. Er nutzt nicht nur Materialien aus der Umgebung, sondern greift auch auf lokale Arbeitskräfte zurück.

„Letzten Endes hängt es [das nachhaltige Bauen, Anm. d. Red.] meiner Ansicht nach nicht an der Größe, sondern am Auftraggeber. Nachhaltiges Bauen kostet, spart aber oft langfristig. Natürlich ist es mit Unsicherheiten verbunden, wenn man lokale Handwerker sucht und neues ausprobiert. Ich bin Pragmatiker. Ich sage, dass es nicht nur gut fürs Klima ist, sondern auch die einheimische Wirtschaft unterstützt, was ich plane. Eine Klimaanlage muss man aus China einkaufen. Eine passive Kühlung kann man mauern“, beschrieb Kéré in einem Spiegel-Interview.

Auf die Frage, was die westliche Architekturwelt von afrikanischen Bauweisen lernen könnte, antwortete Kéré: „In Afrika kann man lernen, wie man mit weniger Ressourcen auskommt , ohne andere Kontinente auszubeuten. Bei meiner Schule in Gando gibt es keine Klimaanlage. Das Dach hebt sich leicht, so entsteht Kühlung durch Luftzirkulation. Das reicht. Oft sind es kleine Dinge. Wenn alle so bauen würden wie der Westen, wäre die Erde morgen kaputt.“

„Schauen Sie sich Stuttgart 21 an. Warum gab es so viel Protest? Die Menschen haben das Projekt nicht abgelehnt, weil sie den Architekten nicht mochten. Sie waren dagegen, weil sie übergangen und alte Bäume gefällt wurden. Die Leute wollen keinen weißen Elefanten mehr, sondern dass man mit ihnen kommuniziert. Im Zweifel sollte man Architektur zur Abstimmung stellen“, stellt Kéré klar.

Auch von anderen Seiten wird Kéré für seine Arbeitsweisen gelobt. „Von Kéré können wir lernen, was mit den Händen machbar ist. Handwerk. Diese Einfachheit. Wir haben in der Vergangenheit in Deutschland aufwendige Standards etabliert, die wir uns global gesehen von den Ressourcen nicht leisten können“, sagte etwa Stefan Högelmaier, Gründer des Münchener Immobilienentwicklers Euroboden, der Kéré gut kennt und bereits mit ihm zusammengearbeitet hat in einem Interview.

"Ich hoffe, einen Paradigmenwechsel herbeiführen zu können, die Menschen zum Träumen und zum Risiko zu bewegen. Nur weil man reich ist, sollte man kein Material verschwenden. Nur weil man arm ist, sollte man nicht darauf verzichten müssen Qualität zu schaffen", wird der diesjährige Preisträger auf der Pritzker-Website zitiert. "Jeder verdient Qualität, jeder verdient Luxus, und jeder verdient Komfort. Wir sind miteinander verbunden, und die Sorgen um Klima, Demokratie und Knappheit gehen uns alle an."

Porträit von Pritzker-Preisträger Francis Kéré und zwei seiner Werke.

Zwei typische Werke von Francis Kéré: traditionell verwurzelt und mit schlichten, aber genialen Lösungen. (Fotos: pritzkerprize.com)

Auf dem Weg zu gerechterer Architektur

Für echte soziale Gerechtigkeit haben wir noch einen langen Weg vor uns. In vielen Köpfen ist ein umsichtiger, fairer, aber auch nachhaltiger Ansatz in der Baubranche noch nicht angekommen. Doch sind es Menschen wie Francis Kéré, die in der Branche und sogar darüber hinaus für einen erfreulichen Lichtblick sorgen, und Auszeichnungen wie der Pritzker-Preis, die entscheidende Unterschiede bewirken können. So sind drei der vergangenen Prizker-Preisträger bekannt für ihren sozialen und nachhaltigen Ansatz in ihrer Arbeit. EEin Schritt, der nicht nur den Fortschritt, sondern auch einen bewussteren Umgang mit Natur und Gesellschaft würdigt – und definitiv ein Schritt in die richtige Richtung.

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